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NEWSLETTER 1 / 2015
von Lukas Metzler und Markus Schmuki
INHALTSVERZEICHNIS
- GAFI-Gesetz vom 12. Dezember 2014
- Konzerninterne Darlehen
- Erhöhter Schutz gegen Schikane-Betreibungen
- Steuergeheimnis
GAFI-GESETZ VOM 12. DEZEMBER 2014
von Lukas Metzler
Das Bundesgesetz zur Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der Groupe d'action financière vom 12. Dezember 2014 (kurz GAFI-Gesetz) tritt am 1. Juli 2015 in Kraft. Es enthält umfangreiche Neuerungen bei den Rechtsbestimmungen über die Kapitalgesellschaften.
UM WAS GEHT ES BEIM GAFI-GESETZ
Mit den Gesetzesänderungen wollen der Bundesrat und das Parlament die Geldwäscherei-Regeln dem aktuellen internationalen Standard anpassen und so verhindern, dass die Schweiz auf einer schwarzen Liste landet. Massnahmen empfohlen hatte die "Groupe d'action financière" (GAFI), eine von den G-7 ins Leben gerufene Expertengruppe zur Geldwäschereibekämpfung.
Die GAFI und auch das "Global Forum" der OECD hatten u.a. Ländern mit Inhaberaktien Massnahmen empfohlen, damit Gesellschaften mit Inhaberaktien nicht für Geldwäsche missbraucht werden.
ÄNDERUNGEN IM GESELLSCHAFTSRECHT
Die Änderungen im Gesellschaftsrecht sollen nun nachstehend dargestellt werden.
Es geht dabei um die Meldepflichten beim Erwerb von Inhaberaktien und der wirtschaftlich berechtigten Person, der Verzeichnisführungspflicht der Gesellschaft bzw. durch einen beauftragten Finanzintermediär sowie die Rechtsfolgen (Suspendierung der Mitwirkungsrechte, Sistierung und Verwirkung der Vermögensrechte sowie die Verantwortlichkeit der Organe).
Meldepflichten
Meldung des Erwerbs von Inhaberaktien (OR 697i)
Der Meldepflicht unterstehen Inhaberaktien bzw. –PS, nicht aber Inhaberobligationen, Genussscheine und Optionen. Sie besteht immer dann, wenn ein Vollrecht (auch fiduziarisch) oder ein Nutzrecht entsteht, nicht aber im Falle eines Pfandrechts.
Der Erwerber hat der Gesellschaft jeweils die Anzahl der erworbenen Titel mit Name bzw. Firma des Erwerbers inkl. vollständiger Adresse zu melden. Auch jede zukünftige Änderung dieser Angaben ist meldepflichtig. Bei der Meldung ist der Nachweis des Besitzes des Titels zu erbringen; die Identifikation hat mit einem amtlichen Ausweis zu erfolgen. Die Meldung muss innert Monatsfrist nach Erwerb erfolgen. Massgeblich ist das Verfügungsgeschäft.
Von der Meldepflicht ausgenommen sind Beteiligungen an börsenkotierten Gesellschaften oder wenn die Aktien als Bucheffekten mit einer Schweizer Verwahrungsstelle bestehen.
Meldung des wirtschaftlich Berechtigten (OR 697j)
Nebst der Meldepflicht bei Inhaberaktien statuiert das Gesetz neue eine Meldepflicht des wirtschaftlich Berechtigten bei Namen- und Inhaberaktien bzw. –PS und Stammanteilen bei GmbH, sofern 25 % des Aktien- und Partizipationskapitals oder 25 % der Stimmrechte überschritten werden. Nicht betroffen sind Forderungsrechte, Genussscheine oder Optionen.
Die Meldepflicht entsteht im Zeitpunkt des Erwerbs von Titeln und des Erreichens/Überschreitens des Grenzwertes unabhängig davon, ob dies alleine oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten erfolgt.
Zu melden sind der Name und die Adresse der natürlichen Person, für die der Erwerber handelt. Die Meldung muss innert Monatsfrist nach Erwerb erfolgen. Massgeblich ist das Verfügungsgeschäft.
Die Ausnahmen der Meldepflicht entsprechen denjenigen wie bei Inhaberaktien.
Verzeichnisführungspflicht (OR 697l)
Durch die Gesellschaft
Neu sind Gesellschaften verzeichnisführungspflichtig für Inhaberaktionäre und –partizipanten sowie die wirtschaftlich berechtigten Personen. In das Register sind Name bzw. Firma und Adresse sowie Anzahl und Nummern der Inhaberaktien bzw. –PS einzutragen. Bei Inhaberaktionären sind zudem Geburtsdatum und Nationalität zu vermerken.
Bezüglich der Inhaberaktien gilt, dass der Eintrag keine konstitutive Wirkung hat. Der Eintrag ist zwar erforderlich; eine Legitimation ist nur durch Vorlage der Inhaberaktien möglich.
Analoge Regeln gelten neu auch für die GmbH (OR 790a) sowie für die Genossenschaft (OR 837). Die Pflicht zur Führung eines Aktienbuchs für Namenaktionäre (OR 686) bzw. eines Anteilbuchs für Stammanteile (OR 790) bestand bereits unter geltendem Recht.
Für alle bisherigen und inskünftig zu führenden Register gilt, dass der Zugriff darauf in der Schweiz jederzeit möglich sein muss.
Delegation an Finanzintermediär (OR 697k)
Gesellschaften können als Meldestelle betreffend Erwerb von Inhaberaktien oder –PS einen Finanzintermediär im Sinne des Geldwäschereigesetzes bezeichnen. An ihn kann auch die Meldung des wirtschaftlich Berechtigten delegiert werden. Sind diese Aufgaben delegiert, führt er das Verzeichnis der Inhaberaktionäre bzw. –PS und das Verzeichnis der wirtschaftlich Berechtigten an Inhaberaktien.
Die Delegation wird durch die Generalversammlung beschlossen. Der Verwaltungsrat bezeichnet den Finanzintermediär und gibt dies den Aktionären bekannt. Der so bezeichnete Finanzintermediär hat der Gesellschaft jederzeit darüber Auskunft zu geben, für welche Inhaberaktien die vorgeschriebenen Meldungen und der Besitz nachgewiesen wurden.
Als Folge dieser Anonymisierung hat der Finanzintermediär an der Generalversammlung teilzunehmen und die Auszahlung einer Dividende hat über ihn zu erfolgen.
RECHTSFOLGEN (OR 697M)
Bis zur Meldung sind die Mitwirkungsrechte (insbesondere Stimm- und Informationsrechte) suspendiert. Der Verwaltungsrat ist dafür verantwortlich und muss durchsetzen, dass keine unzulässige Mitwirkung bei Beschlüssen einer Generalversammlung erfolgt; bei unzulässiger Mitwirkung sind die Beschlüsse anfechtbar. Die Meldepflicht besteht innerhalb eines Monats nach Erwerb. Bis zur fristgerechten Meldung sind die Vermögensrechte sistiert. Danach sind die Vermögensrechte (z. B. eine Dividende) bis zur Meldung verwirkt.
Bei Missachtung dieser Vorschriften bleiben ausgeübte, ungerechtfertigt zugeteilte Bezugsrechte gültig. Ausbezahlte Dividenden sind jedoch nach OR 678 I rückforderbar. Der Verwaltungsrat haftet für etwaigen Schaden.
WEITERE BESTIMMUNGEN
Eine Person (ein Mitglied des Verwaltungsrates oder ein Direktor), die Wohnsitz in der Schweiz hat (OR 718 IV), muss Zugriff auf das Verzeichnis und Aktienbuch haben, falls es nicht von einem Finanzintermediär geführt wird.
Die Belege sind 10 Jahre nach Streichung der Person bzw. das Verzeichnis/Aktienbuch sind 10 Jahre nach Löschung der Gesellschaft aufzubewahren.
Für Alt-Inhaberaktien entsteht die Meldepflicht mit Inkraftsetzung des Gesetzes; die Meldepflicht des wirtschaftlich Berechtigten hat innert sechs Monaten nach Inkrafttreten zu erfolgen. Für Alt-Namenaktien besteht keine Meldepflicht. Bis zur Meldung können Mitwirkungsrechte nicht ausgeübt werden. In einer Übergangsfrist von sechs Monaten verwirken die Vermögensrechte nicht.
Der Beschluss über Umwandlung von Inhaber – in Namenaktien darf neu nur noch die maximale Mehrheit der abgegebenen Stimmen (OR 704a) benötigen.
Die Übergangsbestimmungen schreiben im Weiteren vor, dass Statuten innert zwei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes anzupassen sind, wenn sie den neuen Vorschriften nicht entsprechen.
SCHLUSSBEMERKUNG
Dieses neue Gesetz bringt die nötige Transparenz im schweizerischen Gesellschaftsrecht, damit die Schweiz (hoffentlich) das nächste GAFI-Länderexamen im Jahr 2016 besteht.
Die Missachtung der Meldepflichten wird mit drastischen Sanktionen geahndet und bringt auch Verantwortlichkeiten des Verwaltungsrates mit sich.
Kapitalgesellschaften bzw. deren Organe sind also gut beraten, ihre Übereinstimmung mit diesen neuen Gesetzesregeln zu prüfen.
KONZERNINTERNE DARLEHEN
von Natalie Dietrich
Am 16. Oktober 2014 hat das Bundesgericht einen wegleitenden Entscheid (vgl. BGer 4A_138/2014 vom 16. Oktober 2014) über die aktienrechtliche Behandlung von konzerninternen Darlehen gefällt, welcher die Anforderungen an Schweizer Konzerne mit Cash Pooling Strukturen massiv erhöht. Im Folgenden werden die wesentlichsten Erkenntnisse aus dem Bundesgerichtsentscheid und deren Konsequenzen für die Praxis kurz dargestellt.
SACHVERHALT
Die schweizerische Konzerngesellschaft B AG (Swisscargo AG) war in den Zero Balancing Cash Pool des Swissair-Konzerns eingebunden. Das Zero Balancing (physisches Cash Pooling) zeichnet sich dadurch aus, dass ein täglicher, tatsächlicher Transfer der Kontosaldi der einzelnen Konzerngesellschaften auf die Konten der Cash Pooling Gesellschaft des Konzerns (sog. Master Account) erfolgt. Per 31. Dezember 2000 war die B AG Nettogläubigerin und wies folgende Bilanzpositionen (eigene, vereinfachte Darstellung; Zahlen in Klammern stellen fiktive Bilanzpositionen dar) auf:
Bilanz per 31.12.2000 (in Mio. CHF)
Konzerndarlehen |
23.65 |
[64.65] |
Passiven |
Andere Aktiven |
[76.35] |
||
2.50 |
Aktienkapital |
||
2.43 |
Agio |
||
1.25 |
allg. Reserve |
||
29.17 |
Bilanzgewinn |
||
100.00 |
100.00 |
Für das Geschäftsjahr 2000 beschloss die Generalversammlung der B AG auf Antrag des Verwaltungsrates und aufgrund der vorbehaltlosen Bestätigung der Gesetzes- und Statutenkonformität des Dividendenantrages durch die Revisionsstelle eine Dividende von CHF 28.50 Mio. Die Dividende wurde daraufhin im Juni 2001 über den Cash Pool ausbezahlt. Im Herbst 2001 fiel die Cash Pooling Gesellschaft in Konkurs und über die B AG wurde ein Nachlassverfahren eröffnet. Die Nachlassmasse der B AG machte daraufhin gegenüber der Revisionsstelle Schadenersatzansprüche geltend und begründete ihre Forderung damit, dass im Umfang der konzerninternen Darlehen das grundsätzlich zur Ausschüttung bestimmte Eigenkapital gesperrt gewesen war. Folglich hätten nur CHF 5.52 Mio. (Bilanzgewinn abzgl. Konzerndarlehen) ausgeschüttet werden dürfen.
RECHTLICHE SCHLUSSFOLGERUNGEN
Ausschüttbarkeit von Agio
Vorab hat das Bundesgericht die bisher in der Lehre umstrittene Frage, ob das Agio an die Aktionäre ausgeschüttet werden darf, entschieden: Das Agio kann unter den gleichen Voraussetzungen ausgeschüttet werden, wie die allgemeine gesetzliche Reserve. Das Agio ist von Gesetzes wegen direkt der allgemeinen Reserve zuzuweisen, ohne dass hierfür ein zusätzlicher Umbuchungsbeschluss der Generalversammlung erforderlich ist. Dies entspricht ebenfalls dem Vorgehen der Steuerbehörden, die das Agio seit der Einführung des Kapitaleinlageprinzips als grundsätzlich ausschüttbare Reserve behandeln.
Konzerninterne Darlehen zulasten des gebundenen Kapitals möglich
Weiter hat das Bundesgericht festgehalten, dass konzerninterne Darlehen, die zu Drittbedingungen gewährt werden („dealing at arm's length"), zulässig sind. Dies entspricht der herrschenden Lehre.
De facto-Sperrung bei Verstoss gegen den Drittmannstest
Hingegen stellt nach (teils in der Lehre umstrittener) Auffassung des Bundesgerichts ein Konzerndarlehen, das nicht zu Marktkonditionen ausgerichtet wird, ein fiktives Darlehen bzw. eine verdeckte Ausschüttung dar. In der Lehre wurden bisher Konzerndarlehen nur dann als verdeckte Gewinnausschüttung qualifiziert, wenn es am Rückzahlungswille oder -fähigkeit mangelte; die übrigen regelmässig in der Lehre verlangten Kriterien für die Marktkonformität wurden höchstens als Indizien herangezogen. Das Bundesgericht scheint in seinem Entscheid den Kriterien der Marktkonformität jedoch eine absolute Geltung zuzusprechen, was dazu führt, dass jede Marktunüblichkeit zur Umqualifizierung als verdeckte Gewinnausschüttung führt.
Das Bundesgericht hat weiter darauf hingewiesen, dass es bereits grundsätzlich fragwürdig ist, ob die Teilnahme an einem Zero Balancing Cash Pooling an sich überhaupt zu Drittbedingungen abgewickelt werden kann. Anschliessend hat das Bundesgericht jedoch darauf verzichtet, diese Frage vertieft zu beurteilen. Leider hat es das Bundesgericht auch unterlassen, die Anforderungen an das Erfüllen des Drittmannstests zu definieren. Aus der Lektüre des Entscheides wird jedoch klar, dass das Element der Besicherung und die Bonität des Schuldners wesentliche Faktoren bei dessen Beurteilung waren. Damit bleibt die in der Praxis herrschende Rechtsunsicherheit hinsichtlich der für die Beurteilung des Drittmannstests heranzuziehenden Kriterien sowie deren Gewichtung bestehen.
Selbst wenn Darlehen lediglich ungebundenes Kapital betreffen, sperrt nach Ansicht des Bundesgerichts ein nicht-marktgerechtes Darlehen im Umfang des Darlehensbetrages de facto das frei verwendbare Eigenkapital für Dividendenausschüttungen und es ist eine gesperrte Reserve im Umfang der Darlehensvaluta zu bilden. Die Bildung einer Spezialreserve (de facto-Sperrung) wird in der Praxis stark kritisiert und es wird darauf hingewiesen, dass dies bei richtiger buchhalterischer Betrachtung auch gar nicht möglich ist. Folglich handelt es sich bei diesem Konstrukt um eine rein aktienrechtliche Betrachtungsweise. Für die Beurteilung, ob genügend ausschüttbare Mittel vorhanden sind, ist ferner allein auf den letzten Bilanzstichtag und nicht auf das Datum der Dividendenausschüttung abzustellen.
Die untenstehende Bilanz dient lediglich der Veranschaulichung der bundesgerichtlich postulierten Spezialreserve sowie der Auswirkungen auf den Bilanzgewinn:
Bilanz per 31.12.2000 (in Mio. CHF)
Konzerndarlehen |
23.65 |
[64.65] |
Passiven |
Andere Aktiven |
[76.35] |
||
2.50 |
Aktienkapital |
||
2.43 |
Agio |
||
1.25 |
allg. Reserve |
||
23.65 |
Spezialreserve |
||
5.52 |
Bilanzgewinn |
||
100.00 |
100.00 |
EMPFEHLUNGEN FÜR KONZERNINTERNE FINANZIERUNGEN
Obwohl in der Literatur der Bundesgerichtsentscheid als Fehlurteil gewertet wird und weiterhin viele Fragen und Unklarheiten bestehen, kann der Entscheid von Unternehmen und deren Revisionsstellen nicht ignoriert werden. Denn der Entscheid hat gezeigt, dass bei konzerninternen Darlehen sowohl der Verwaltungsrat als auch die Revisionsstelle einem nicht zu unterschätzenden Haftungsrisiko ausgesetzt sind. Es empfiehlt sich deshalb, Cash Pools und Darlehen an Schwester- oder Muttergesellschaften sorgfältig zu evaluieren und rechtzeitig die notwendigen Schritte einzuleiten.
ERHÖHTER SCHUTZ GEGEN SCHIKANE-BETREIBUNGEN
von Damian KeelEin Eintrag im Betreibungsregister ist ein Hindernis bei der Suche nach einer Stelle, einer Wohnung oder eines Kredits. Eine Betreibungsauskunft hat eine erhebliche Tragweite bezüglich Kredit- und Vertrauenswürdigkeit. Umso ärgerlicher sind grundlose bzw. ungerechtfertigte Betreibungen. Mit einer Anpassung seiner Praxis verringert das Bundesgericht das Risiko, gegen Schikane-Betreibungen vorzugehen.
Nach der neuen Praxis des Bundesgerichts1 ist das schutzwürdige Interesse an der Feststellung des Nichtbestands einer Forderung grundsätzlich zu bejahen, sobald diese in Betreibung gesetzt wurde. Der Betriebene muss also nicht mehr konkret nachweisen, dass er wegen der Betreibung in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit empfindlich beeinträchtigt wird, damit überhaupt auf seine Klage eingetreten wird. Wer gegen eine grundlose bzw. ungerechtfertigte Betreibung vorgeht, trägt neu grundsätzlich nur noch das allgemeine Prozessrisiko.
Ein Vorbehalt besteht allerdings dann, wenn die Betreibung zur Unterbrechung der Verjährung eingeleitet werden musste, weil der Schuldner die Abgabe einer Verjährungsverzichtserklärung verweigert hat und die Forderung aus triftigem Grund nicht sofort im vollen Umfang gerichtlich geltend gemacht werden kann.
Durch die neue Praxis des Bundesgerichts kann sich eine Schikane-Betreibung zu einem erheblichen Kosten-Bumerang entwickeln. Sollte der Betriebene erfolgreich dagegen vorgehen, sind - neben den Betreibungskosten - auch die Gerichts- und Parteikosten der negativen Feststellungsklage vom Betreiber zu übernehmen.
Bei Forderungen mit schwieriger oder unvollständiger Beweislage ist hinsichtlich einer Betreibung grundsätzlich Zurückhaltung angezeigt. Setzt der Gläubiger eine solche Forderung zu früh in Betreibung, kann er damit das Heft bezüglich der gerichtlichen Beurteilung des Anspruchs aus der Hand geben. Allerdings unterbricht nach derzeitiger Rechtsprechung und Lehre bereits der Versand eines korrekten Betreibungsbegehrens die Verjährung unabhängig davon, ob überhaupt die Zustellung des entsprechenden Zahlungsbefehls erfolgt2. Auch bei einem Rückzug der Betreibung bleibt die Unterbrechungswirkung bestehen3.
- Entscheid des Bundesgerichts 4A_414/2014 vom 16.1.2015
- Vgl. BSK, OR I, 5. Auflage, Basel 2011, N 6 zu OR 135; vgl. BSK, SchKG 1; 2.Auflage, Basel 2010, N 48 zu SchKG 67; vgl. Gauch/Schluep, OR AT II, 10. Auflage, Zürich 2014, N 3345; vgl. ZK, 3. Auflage, Zürich 2002, N 155ff. zu OR 135
- BGE 114 II 262
STEUERGEHEIMNIS
von Christof SchäfliGrundsätzlich gilt in der Schweiz nach wie vor das Steuergeheimnis.
Auf Bundesebene ist die Geheimhaltungspflicht im Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer bzw. im Steuerharmonisierungsgesetz, welches für die Kantone verbindliche Vorgaben gibt, geregelt. Danach muss derjenige, der mit dem Vollzug des Steuergesetzes betraut ist, über Tatsachen, die ihm in Ausübung seines Amtes bekannt werden, Stillschweigen bewahren und Dritten den Einblick in amtliche Akten verweigern. Eine Auskunft ist einzig zulässig, soweit hierfür eine gesetzliche Grundlage im Bundesrecht gegeben ist. Das Steuergeheimnis ist Teil des Amtsgeheimnisses. Verletzungen des Steuergeheimnisses werden daher mit Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren geahndet.
Das Steuergeheimnis wird allerdings zu Gunsten ausländischer Steuerbehörden fortlaufend durchlöchert. Äusserer Anlass bildet der Finanzplatz und der Austausch von Kontoinformationen bei Finanzinstituten (Stichwort automatischer Informationsaustausch, AIA). Weitgehend unbeachtet von der öffentlichen Diskussion sind von den neuen Regeln, die umgesetzt werden sollen, allerdings auch Privatpersonen sowie Unternehmungen betroffen, wenn internationale Beziehungen gegeben sind.
RECHTSGRUNDLAGE ZUR INFORMATIONSWEITERGABE
Die Erteilung von Steuerinformationen, welche Einkommens- und Vermögenssteuern sowie Gewinn-und Kapitalsteuern betreffen, kann stets dann erfolgen, wenn für diese Informationserteilung eine rechtliche Grundlage besteht, da ansonsten das Amtsgeheimnis verletzt wird.
Nach Schweizer Recht kann sich eine solche Grundlage zur Weitergabe von Steuerinformationen in einem Gesetz, einem Staatsvertrag oder einem multilateralen Abkommen befinden. Im Folgenden erfolgt eine Konzentration auf rechtliche Grundlagen im Steuerrecht. Es wird auf die Prüfung von an sich ebenfalls mögliche strafrechtliche Fragestellung aufgrund verzichtet. Immerhin ist auf das IRSG im Falle eines arglistigen Verhaltens hinzuweisen (Täuschung der Steuerbehörden durch arglistiges Verhalten, in diesem Fall ist Rechtshilfe nach IRSG möglich; Rechtshilfe erfolgt aber unter Justizbehörden und nicht auf Verwaltungsebene).
Nach derzeit geltendem Recht bestehen Informationsgrundlagen gegenüber ausländischen Steuerbehörden im StahiG (Steueramtshilfegesetz) des Bundes sowie in gewissen bilateralen Verträgen (im vorliegenden Zusammenhang dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und anderen Ländern).
Zusätzlich soll in Zukunft das Amtshilfeübereinkommen des Europarates und der OECD umgesetzt werden. Dieses Abkommen bildet die Grundlage für den automatischen Informationsaustausch von Kontendaten von Finanzinstituten. Daneben aber entstehen auch erhebliche Auswirkungen in der sogenannten Realwirtschaft.
NEU: SPONTANER INFORMATIONSAUSTAUSCH
Es ist zu unterscheiden zwischen spontanem Informationsaustausch und Informationsaustausch auf Ersuchen.
Beim spontanen Informationsaustausch werden Informationen, über die eine Vertragspartei verfügt, unaufgefordert an eine andere Vertragspartei übermittelt, wenn die informierende Vertragspartei davon ausgeht, dass die betreffenden Informationen für die andere Vertragspartei von Interesse sind. Im Unterschied zum Informationsaustausch auf Ersuchen erfolgt die Übermittlung der Informationen ohne vorgängiges Auskunftsersuchen („spontan"). Es ist absehbar, dass derartige spontane Informationen in der Folge Anlass geben können zu vertiefter Nachfrage durch ausländische Steuerbehörden.
Die Frage ist, wann derartige spontane Informationen ausgetauscht werden und welche Informationen ausgetauscht werden. Vorgesehen ist eine entsprechende spontane Information insbesondere in folgenden Fällen:
- Bei Vorliegen von Anhaltspunkten für eine Steuerverkürzung zu Lasten des anderen Staates;
- Gewährung von Steuererleichterungen oder Steuerermässigungen, welche eine Steuererhöhung oder eine Besteuerung im anderen Staat zur Folge haben;
- Bei Anhaltspunkten bezüglich einer Steuerersparnis durch künstliche Gewinnverlagerungen innerhalb eines Konzerns;
- Erhalt von relevanten Informationen, die unter Umständen auch im anderen Staat für die Steuerfestsetzung erheblich sein könnte.
Die Gründe für einen spontanen Informationsaustausch sind dermassen allgemein gehalten, dass ein ausserordentlich weites Feld besteht, indem spontan gemeldet werden kann, ja muss, sobald mehr als ein Land involviert ist.
Nach den mir vorliegenden Informationen aus Verwaltungskreisen besteht insbesondere die Absicht, sämtliche Rulings und ähnliche Vereinbarungen in bilateralen Fällen inskünftig dem anderen Staat (sofern er die Amtshilfevereinbarung ebenfalls unterzeichnet hat bzw. entsprechendes vereinbart wurde) ungefragt zuzustellen. Es ist absehbar, dass das für Unternehmungen gilt. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass beispielsweise auch Vereinbarungen betreffend die Aufwandbesteuerung so den Weg in das frühere Heimatland der betroffenen Person finden.
WÜRDIGUNG
Auf den ersten Blick braucht das Vorhergesagte nicht zu beunruhigen, weil, wie populäres Gerede weismachen will, wer nichts zu verstecken hat, auch kein Geheimnis aus Informationen zu machen braucht. Eine solche Auffassung ist allerdings naiv.
Jede Meldung steigert das Risiko, von den entsprechenden Behörden in den Fokus genommen zu werden. Das kann in der Folge zu jahrelangen Verfahren in diesen Ländern führen und massive Unsicherheiten mit sich bringen, auch wenn sich letztlich alles als korrekt herausstellt. Wer will sich schon auf unter Umständen jahrelange Verfahren mit ausländischen Steuerbehörden einlassen, welche durch solche Meldungen hervorgerufen werden können, nur weil ein übereifriger Schweizer Steuerinspektor sich zu einer Meldung verpflichtet fühlt?
Im Ergebnis wird meiner Meinung nach der Schweizer Standort durch diesen spontanen Informationsaustausch geschwächt. Die bisherige Rulingpraxis (welche nicht der Begünstigung sondern der Rechtssicherheit dient) wird in Frage gestellt, wenn internationale Verhältnisse gegeben sind.